Herzlich willkommen zu Procurement Unplugged, dem Podcast mit Einkaufs Experten für die Einkaufs Welt. Schön, dass Sie einschalten.
Fabian Heinrich: Herzlich willkommen bei einer weiteren Ausgabe von Procurement Unplugged. Ich freue mich ganz besonders, dass ich heute Professor Dr. Karsten Machholz zu Gast habe, einer der ganz wenigen Einkaufsprofessoren in Deutschland bzw. fast schon in Europa. Herzlich willkommen, Karsten Machholz!
Karsten Machholz: Ja, danke Fabian, für die nette Einladung.
Fabian Heinrich: Ja, es ist sehr spannend, deinen Werdegang anzuschauen und es ist ja wirklich, wenn ich mir andere Themenbereiche anschaue, Marketing, Management, Finance. Da gibt es Professoren, die, ich möchte schon salopp sagen, wie Sand am Meer. Du bist im deutschsprachigen Raum mit den Kollegen Bohde fast schon ein Unikat. Wie kommt es, dass der Procurement in der Wissenschaft auch, ich sage mal, nicht den größten Stellenwert hat, wie man auch teilweise in großen Unternehmungen sieht? Vielleicht kannst du dazu was sagen, wie du dazu gekommen bist, einer der ganz wenigen Procurement Forscher zu werden?
Karsten Machholz: Ja, ja, das ist wirklich eine spannende Frage. Also es gibt vielleicht sage ich mal so im deutschsprachigen Raum vielleicht so zwei Hände voll an Professoren, die Einkauf und Procurement unterrichten, teilweise entweder als eigenen Studiengang oder so ein bisschen als Anhängsel zu betriebswirtschaftlichen Studiengängen oder ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen wie bei uns. Und das liegt sicherlich auch irgendwo daran, dass der Einkauf auch traditionell wie in vielen Unternehmen eher so als Anhängsel des Supply Chain Managements, des Material Managements gesehen wurde und auch als Forschungsbereich natürlich jetzt auch über die Jahre, die Jahrzehnte extrem an Bedeutung gewonnen hat. Wie natürlich auch der Einkauf an sich jetzt auch aus den frühen Zeiten aus der Kraljic-Matrix 1984, wo das schon quasi von Peter Kraljic postuliert wurde, wo er gesagt hat: Wir müssen strategischer werden, wir müssen verschiedene Tools auch anwenden in verschiedenen Bereichen. Und das hat jetzt, denke ich, eine sehr lange Zeit gedauert, bis das dann auch entsprechend in den obersten Führungsetagen in den Unternehmungen wahrgenommen wurde, dass der Einkauf halt eben einen sehr, sehr direkten Einfluss auf die Kosten, sehr direkten Einfluss auf den Kosten Hebel hat. Sei es nur darum, dass wir durch dieses immer weiter vorangehendes Outsourcing, was auch in den 80er 90er gestartet ist, immer mehr Anteil haben an Materialien, Gütern, Produkten, die wir vorgefertigt einkaufen. Der Materialkosten Anteil nimmt immer mehr zu, die eigene Wertschöpfung, die Fertigungstiefe nimmt tendenziell eher ab. Also große Automobilhersteller haben teilweise nur noch so einen eigenen Value Add Bereich von 5 bis 15 Prozent, sei es nun ein Smart oder auch selbst bei einem Porsche 911 ist quasi so die eigene Wertschöpfung im Werk in Zuffenhausen oder in Weissach dann auch nur noch in Gänsefüßchen 15 Prozent und der Rest wird halt eben extern beschafft über die Tier 1 bis Tier N Lieferanten und wir haben halt eben über den Einkauf auch einen extrem großen Hebel, über den Economic Value, also wir haben nicht nur Anlage und Sachvermögen oder die fixed und die current Assets, also nicht nur die Bestände, sondern eben auch wenn wir ein Gebäude, eine Fabrik, eine Anlage zu einem günstigeren Preis einkaufen, dann hat das halt eben lange, lange Zeit auch in unseren Gewinn und Verlustrechnung in unserem Balance Sheet halt eben auch einen sehr starken Einfluss. Und das ist, denke ich nach und nach so spätestens in den frühen 2000ern, auch in der obersten Führungsetage von vielen Unternehmen angekommen und insofern ist der Einkauf da jetzt auch größtenteils auf Bord Ebene positioniert. CPO haben wir auch seit vielen Jahren und entsprechend wird das Ganze dann halt eben auch im wissenschaftlich akademischen Bereich dann auch entsprechend wieder unterfüttert, dass es da auch den einen oder anderen Lehrstuhl, den ein oder anderen Professor gibt, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen.
Fabian Heinrich: Und vielleicht auch für den Hörer sehr spannend, was dich persönlich motiviert, schon so früh in den Einkauf zu gehen und sich diesem Thema zu widmen?
Karsten Machholz: Ja, ich bin wie die berühmte Jungfrau zum Kinde gekommen, was sowohl den Einkauf als auch die Professur anging. Ich komme eigentlich von der Ausbildung her bin ich Chemiker, habe im Bereich der Chemie, der Tumor Chemie promoviert, habe damals versucht Anti-Krebsmittel herzustellen, die weniger Nebenwirkungen haben. Bin dann in der chemischen Industrie bei der 3M gewesen. Bin dann in die Unternehmensberatung Cap Gemini Ernst Young gegangen. Bin von dort aus in die Pharmaindustrie gewechselt so Boehringer Ingelheim und bin von dort aus in so ein kleines Biotech Startup in die Schweiz gewechselt zu Bio Partners und als diese Firma dann aufgekauft wurde, ich war da Head of Production, Head of Procurement, Head of Supply Chain, bin ich dann quasi auf die, wie ich immer sage, die dunkle Seite der Macht gewechselt und unterrichte das Ganze jetzt seit acht Jahren an der Fachhochschule Würzburg Schweinfurt im Bereich Supply Chain Management und Einkauf und kann dann hoffentlich nicht nur theoretisches Wissen, sondern eben auch praktisches Wissen aus den 20+ Jahren in der Industrie weitervermitteln, wo man sagt: Okay, die die Themen sind in der Literatur relevant oder als relevant identifiziert worden. Und nach meinem eigentlichen oder nach meinem persönlichen Dafürhalten ist dann halt eben das oder das entsprechend relevant und kann dann dazu noch mal eine Geschichte erzählen. Und insofern bin ich da so ein bisschen wie die und als die kleine Biotech Firma denn von der größeren Biotech Firma aufgekauft wurde, bin ich dann halt eben in die Lehre gewechselt und so ähnlich ist es mir halt eben auch mit dem Einkauf gegangen. Wenn man dann halt für Produktion und für Supply Chain verantwortlich ist und weltweite Vertriebs und Produktions Netzwerke und Vor-Lieferanten und Lohn-Hersteller suchen muss, dann hat man halt eben auch mit dem Einkauf zu tun. Das war dann auch teilweise sehr Hands-On in der kleinen Start-Up Firma ist das Schöne, dass man von A bis Z für alles verantwortlich ist. Ist aber teilweise auch ein bisschen anstrengend, weil man kann halt wenig delegieren, sondern man muss halt eben alles immer selber machen. Aber das macht es eigentlich aus, im Startup zu arbeiten.
Fabian Heinrich: Ja, das wissen wir selbst am besten. Aber das ist ein extrem spannender Werdegang. So hattest du dann natürlich die einmalige Gelegenheit, verschiedenste Phasen des Einkaufs zu erleben und über die Jahre hinweg. Wie würdest du sagen, er hat sich über die letzten zwei Dekaden dann der Einkauf auch verändert?
Karsten Machholz: Das ist sicherlich viel, viel strategischer, viel, viel digitaler und viel, viel schneller geworden. Und wir haben sicherlich auch so eine Entwicklung vom Einkauf, vom rein operativen Beschaffungen Management, wo die Fachabteilung schon die Produkte oder die Services schon eigentlich festgelegt hat. Dann kommt quasi die die Bestell Anforderung an den Einkauf. So nach dem Motto na ja, zeichnet das mal ab oder seht mal zu, dass ihr noch ein paar Prozent am Preis rausholen könnt. Aber da ist ja denn eigentlich würde ich sagen, das Kind schon im Brunnen gefallen. Aber da ist natürlich das Stichwort frühe Einbindung des Einkaufs und da gibt es da entsprechende Entwicklungsphasen, wo man sagt, also von der operativen Beschaffung Funktion zu einer Einkaufs Funktion zu einem Strategic Advisor, also einem strategischen Ratgeber Lotse auf dem Deck, welches Bild man da jetzt nehmen möchte, hat sich der Einkauf entwickelt. Gerade in den großen Firmen, die dann halt eben auch entsprechend wissen, wie viel Wertschöpfung im Einkauf liegt, wie viel Volumen da drüber geht. Und da hat man dann halt eben auch ganz tolle Tools, teilweise bei Vodafone gibt es dann oder auch bei anderen Firmen. Die haben dann auch entsprechend weltweite Möglichkeiten, ihre Supply Chains, ihren Einkauf zu monitoren, Risiko Indikatoren zu sehen, zu sehen welchen Einfluss hat eine Corona Krise auf unsere Versorgungssicherheit oder eine Ever Given die den Suez-Kanal mal eben für 3 4 Tage blockiert, wo man dann halt eben auch sehr schnell sehr agil handeln muss. Das Problem, teilweise, ist nur weil wir im Jahr 2021 sind, heißt das noch nicht, dass also auch alle Leute denn in dieser digitalen strategischen Ebene schon angekommen sind, sondern je nach Unternehmen, ob nun großer Dax-Konzern oder ob das ein kleiner Mittelständler ist oder auch je nach Sektor. Also ob es nun weiß ich nicht Bank produzierendes Gewerbe ist oder vielleicht eher ein Service oder ein Dienstleistungsbereich öffentliche oder private Beschaffung also auch gerade das ganze Thema Public Procurement ist auch ein sehr sehr spannendes Thema. Da gibt es dann halt verschiedene Entwicklungsstufen und ich sag mal so, wir haben da den Höhlenmenschen, der da noch auf dem Bärenfell liegt und gerade das Rad und das Feuer erfunden hat, wo also noch sehr, sehr viel Publikum...
Fabian Heinrich: Wenn ich schnell einhaken dürfte das ist wieder ein sehr spannendes Thema, weil ich meine, wir haben es eben gehört, so die Vodafons dieser Welt. Oder gibt es da auch andere große Dax oder Fortune 500 Unternehmen, die in dieser Procurement Maturity, möchte ich jetzt mal nennen, angekommen sind und global Supply Chains hast du erwähnt. Da es ja eher mehr um die Materialien und die Handelsketten und um die Produkte. Jetzt hast du es aber auch schon angesprochen, Schnittstelle Fachabteilung hier und da wird wie der Höhlenmensch agiert. Wie ist denn der Unterschied dann zum Einkauf von Dienstleistungen? Wenn man sich jetzt mal anschaut, hier bei uns in Deutschland oder in der EU hat sich ja wahnsinnig viel getan. Also ich mein, das GDP der EU sind inzwischen zwei Drittel Dienstleistungen. Das war ja vor 20 Jahren noch ganz anders als Kollege Lobrecht den Procurement auf die Karte gehoben hat. Und wie siehst du da die Herausforderungen oder dieses Thema? Also Stichwort Einkauf von Dienstleistungen.
Karsten Machholz: Also das ist natürlich nochmal eine ganz spezielle Hürde, die man da zu überwinden hat. Ich glaube, das ganze Thema indirect Spend und auch das Thema Dienstleistungs Einkauf hat mindestens drei große Problemzonen. Problemzone Nummer eins: Es ist super fragmentiert. Problem Nummer zwei: Der Einkauf ist halt nicht immer unbedingt die Fachabteilung, die halt dort auch die Entscheidung trifft und wird dann teilweise auch eher als fünftes Rad am Wagen oder als Pain in the Neck gesehen und nicht unbedingt als wertschöpfender Gesprächspartner, wo man sagt: Guck mal, da habe ich noch mal einen anderen Lieferanten, noch mal einen anderen Dienstleister, den ich dir noch mal mit anbieten kann. Da haben wir also vielleicht schon mal mit einem anderen Standort schon einen Rahmenvertrag geschlossen. Oder wir haben da gute Erfahrungen gehabt. Und last but not least ist es halt eben auch extrem fragmentiert. Und wenn wir uns auch verschiedene Dienstleistungen mal anschauen, dann gibt es ja auch so was, wo man sagen kann Na ja, ich habe jetzt, wenn ich jetzt in diesem sehr alten klassischen Einkaufs Modell ich versuche immer die Kosten, die Kosten und die Kosten zu reduzieren, dann kann es zwar sein, dass ich mein KPI, mein Ziel erreicht habe, aber für die Firma selbst nicht unbedingt der beste Nutzen dabei herausgesprungen ist, weil dann vielleicht halt eben das Steuerberatungs Büro A zwar ein besseres Angebot gemacht hat als B, aber die Firma vielleicht mit B insgesamt weniger Steuern zahlen würde. Oder bei Marketing und Sales Kampagnen oder bei Forschungs und Entwicklungs Vorhaben. Das heißt, da ist natürlich die Expertise in den Fachabteilungen gefragt und da liegt dann auch die Herausforderung für den Einkäufer. Ich sage mal, wie ein Chamäleon vielleicht sich anzupassen, verschiedene Sprachen sprechen zu können. Das heißt, wenn man sich, wenn man mit der Rechtsabteilung kommuniziert, dann sollte man natürlich auch deren Vokabular beherrschen und verstehen. Wenn man mit dem CFO kommuniziert oder mit der Marketing und Sales oder mit der R&D Abteilung, dann muss man natürlich dann auch verstehen, was die genau brauchen und wie man ihnen helfen kann, um sie zu unterstützen. Weil wenn ich nur als der Rufer in der Wüste oder ich sag mal so der böse Einkäufer, der immer nur den erhobenen Finger hebt und kommuniziere. Das ist aber zu teuer. Ihr müsst aber den nehmen, der es billiger, dann liefere ich auch nicht wirklich wert, sondern ich muss wirklich auch sagen Okay, was braucht ihr denn? Welche Angebote haben wir? Weil der Einkauf natürlich die Übersicht über den Markt hat. Und da gibt es dann auch entsprechende Tools natürlich, um Märkte zu analysieren, um Lieferanten zu analysieren. Wir haben das Netzwerk, wir sitzen, wie die Spinne im Netz und wir wissen auch, wer in unserer Firma mit wem wo wie zusammenarbeitet, wo schon Rahmenverträge sind. Wir haben Lieferantenbewertungen. Wir wissen schon also, wie diese Services in der Vergangenheit gelaufen sind, ob die gut waren, ob die herausragend waren oder ob die einfach nur auf den ersten Blick ganz gut waren. Aber dann würde man wirklich ein bisschen tiefer kratzt oder mit dieser Firma zusammenarbeiten auch sagt Na ja, so doll war es dann auch nicht. Nächstes Mal gehen wir dann doch wieder auf unseren alten Lieferanten zurück und...
Fabian Heinrich: In der Zusammenfassung, um das nochmal zu reflektieren, sagst du quasi indirekter Einkauf, generell extrem fragmentiert. Daher hohe Komplexität und Schwierigkeit. Bloß auf der anderen Seite dieses immer wiederkehrende Zusammenspiel Fachabteilung, zentraler Einkauf, wo natürlich es dann um die verschiedenen Themen geht, aber so richtig zusammen, dass ich die gegenseitige Expertise nutze und quasi kollaboriere ich richtig während des Sourcing Prozesses zum Stichwort Vergleichbarkeit, Transparenz und Verfahrensweisen von den Lieferanten. Das kann man, so denke ich mal, zusammenfassen, oder?
Karsten Machholz: Kann man so zusammenfassen. Ein Punkt würde ich gerne noch mit ergänzen, und zwar letztlich die Incentives. Also ich denke, es ist auch wichtig, dass dann halt eben auch die Savings, die generiert werden, dann auch irgendwo wieder der Fachabteilung oder dem Unternehmen in irgendeiner Form zugutekommen, weil ansonsten, wenn ich als Fachabteilung dafür bestraft werde, dass ich dann im nächsten Jahr einfach nur weniger Budget zur Verfügung habe, dann wird sich halt eben auch die Zusammenarbeit mit dem Einkauf schwieriger gestalten, wo man sagt Na ja, okay, ihr habt bei uns jetzt einfach das Budget reduziert. Ihr kriegt die Lorbeeren, weil ihr eure KPIs erfüllt habt. Wir kriegen die nicht. Wir müssen sehen, wie wir nächstes Jahr vielleicht mehr Volumen mit noch weniger Budget durch die Pipeline schleusen können. Also auch da geht es natürlich ganz klar um eine Kollaboration, um ein gemeinsames Optimum. Und nicht nur, dass man sagt, Okay, wie kann ich quasi in einem System von kommunizierenden Röhren nur auf meine Röhre schauen und den Wasserspiegel runter drücken, der geht ja woanders hoch. Und dann habe ich nur mein KPI erfüllt, für die Firma an sich bringt das dann auch nichts weiter. Haben wir so eine rechte Tasche, linke Tasche Problematik also auch da ist Transparenz und Kollaboration letztlich der Schlüssel zum Erfolg.
Fabian Heinrich: Nein, ich meine, das ist ein sehr guter Lösungsansatz für das Thema, auch immer wieder als große Herausforderung, dass die Interessen nicht gleichgestellt sind von der Fachabteilung und dem Einkauf mit den Incentives. Das ist ein starker Ansatz. Hast du vielleicht auch mal Lösungsansätze parat, vielleicht auch einfach direkt aus der Forschung? Brandheiß zu dem Thema Wie kann ich denn diese Dienstleistungen vergleichbar machen und wie kann ich da Differenz reinbringen? Weil ich meine, wenn ich mir den Einkauf anschaue, dann habe ich natürlich direkten Bereich bei den Materialien und Produkten eine klare Taxonomie. Meine Produktkategorien. Ich verwende UNSPSC oder den (...) Code und habe da eine klare Struktur. Das ist natürlich bei den Dienstleistungen nicht so greifbar. Gibt es da verschiedene Ansätze oder Methoden? Oder sagt, okay, da kann man die Vergleichbarkeit und die Transparenz mit reinbringen oder ist es eher noch ein ungelöstes Problem?
Karsten Machholz: Das ist schwierig. Am Ende des Tages, muss ich irgendwie vielleicht versuchen, an verschiedene Sachen wie Kollaboration, Innovation, Zusammenarbeit, also diese ganzen Soft Faktoren auch irgendwo an ein messbares KPI dranzuhängen, vielleicht auch ein Preisschild dran zu hängen und der nachher mit so einer Art Bonus-Malus-System das Ganze halt eben vielleicht auf die Dimension Kosten runterzubrechen. Aber das gestaltet sich halt eben schwierig. Viele Firmen machen das halt eben einfach mit verschiedenen Auswahlkriterien, wo natürlich Preis und Qualität, Zeit, Zuverlässigkeit, Vertrauen, Innovation, Zusammenarbeit, Kollaboration, Technologieführerschaft. Das sind so klassische Bereiche, die man nimmt, das Problem, was man immer ein bisschen sich anschauen muss. Man versucht natürlich am Anfang immer möglichst viel zu messen, um ein möglichst allumfassendes Bild zu haben. Das Problem ist: Je mehr ich messe, desto geringer ist natürlich der einzelne Wertbeitrag. Das heißt, wenn ich 100 Prozent auf 20 Kategorien aufteile, dann geht jede Nadel quasi nur plus minus 5 Prozent hoch oder runter oder plus minus zweieinhalb Prozent, also 5 Prozent generell. Und je mehr ich messe, desto geringer wurde nachher auch wirklich die Trennschärfe. Also muss ich entweder das Nachher am Ende des Tages ein bisschen konsolidieren. Auch das geht natürlich immer in Joint Teams, wo man sagt: Okay, was sind denn unsere Kriterien, wie hoch bewerten wir die? Und das muss man dann natürlich wieder zusammen mit der Fachabteilung machen. Und das wird auch dann sehr unterschiedlich aussehen, ob man sagt: Okay, ist das jetzt ein Service Partner, ein Dienstleistungs Partner der ein (...) Dienstleistung hat, ja austauschbar ist, der vielleicht noch alte Technologien, alte Services hat? Oder ist es auch jemand, mit dem wir zusammen gemeinsam in die Zukunft gehen können, also auch in Richtung strategischer Lieferant? Sind wir mit dem neu aufgestellt, besser aufgestellt, digitaler aufgestellt, um auch eine neue Klientel, die der Millennials anzusprechen? Sind wir auf anderen sozialen Kanälen unterwegs? Wo müssen wir uns da positionieren? Und das sind, denke ich, viele spannende Felder, wo jetzt nicht nur die gesamte Firma in einem digitalen Umbruch ist, sondern der Einkauf, das auch entsprechend begleiten muss, als kompetenter strategischer Ratgeber, der Fachabteilungen dann entsprechend auch zur Seite stehen muss.
Fabian Heinrich: Ja, also ich sehe schon, die Anforderungen an den Einkäufer verändert sich deutlich. Also der Einkäufer wird immer mehr, auch vor allem im Service Einkauf der startegic Advisor und der Sparringspartner für die Fachabteilung, kommen damit einher auch neue Anforderungen an verschiedene digitale Oberflächen, sprich Softwarelösungen. Und ich mein historisch, dass der Einkauf per se auch Materialien fokussiert war. Gibt es denn diese Software schon, wo du sagst, dass diese ganzen Lösungsansätze abgespielt werden im Sinne der Kollaboration, im Sinne des Zusammenspiels und so weiter? Oder ist der Grund, wie du vorher erwähnt hast, dass sich die Leute immer noch wie Höhlenmenschen teilweise anstellen müssen? Also sprich Excel, Outlook? Das ist auch ein Grund, dass ihnen die digitale Arbeit Oberfläche so noch nicht zur Verfügung gestellt wurde im Sinne von einer Software, die das Thema Dienstleistungen entsprechend einfach und digital einkaufen lässt.
Karsten Machholz: Ja, ich glaube, das sind das sind wahrscheinlich, drei Aspekte. Also zum einen ist das natürlich die Sache, was bietet gerade so aktuell der Markt oder die Startup-Szene, die Software-Landschaft in diesem Bereich an? Und ich glaube, das ist noch wirklich, wie wir damals in der Beratung wahrscheinlich gesagt hätten, hohes Gras oder sehr viel unbestimmtes Land. Und da habt ihr von Mercanis sicherlich ein sehr gutes Produkt am Start, was da auch eine Vorreiterrolle hat. Es gibt sicherlich auch noch die eine oder andere Nischen Lösung. Schwierigkeit Nummer 2 ist dann natürlich letztlich wirklich die Spezifizierbarkeit einer Dienstleistung. Aber das kennen wir selber auch im privaten Bereich. Man kann auch sagen Gut, warum soll ich jetzt vielleicht eher für ein Fiat Punto 10000 Euro bezahlen und für eine Mercedes S-Klasse 100000 Euro? Sind doch beides Autos. Ich komme eigentlich mit beidem von A nach B und dann muss man halt eben auch sagen Okay, was ist mit Lebenszyklus Kosten, was ist mit Qualität, was ist mit Wartung? Das ist natürlich da schon schwierig. Bei Service ist das dann natürlich noch viel schwieriger. Dann auch entsprechend, da höhere Preise, andere Preise zu verifizieren. Aber das Thema hatten wir ja schon durch die Zusammenarbeit mit der Fachabteilung. Und ich glaube, last but not least und das ist glaube ich auch noch ein ganz großer Faktor ist einfach der Faktor Mensch, der natürlich auch sagt Ich arbeite doch mit der Firma XY oder mit dem Dienstleister schon seit Jahren zusammen. Und die kennen uns, die kennen unsere Abläufe, die kennen unsere Maschinen, die kennen unsere Schnittstellen, die wissen, wo sie hier im Werk ein und ausgehen. Da ist es natürlich auch viel, viel einfacher, auf vertraute Partner zu setzen, als zu sagen soll ich denn jetzt mal die neue Dienstleistungs Firma Karsten Machholz Machholz oder XY und wen auch immer nehmen? Den kenne ich nicht. Da weiß ich nicht wie der sich hier verhält. Der kennt uns noch nicht. Er weiß nicht, wie wir ticken, wie unsere Abläufe sind. Also natürlich ist denn da auch man aus teilweise aus guten Gründen, teilweise auch aus Komfortzonen, Überlegungen verharrt man natürlich dann auch häufig mit Lieferanten, die man oder Dienstleister, die man über Jahre hat. Wenn die gut sind, ist das natürlich auch gar kein Problem. Problematisch wird es nur, wenn die nicht performen. Da muss man sich natürlich von denen trennen. Und natürlich auch es gibt ja auch Sachen, wo wirklich Lieferanten aktiv (...) werden. Also wenn es wirklich Arbeitsunfälle gibt, massive Verstöße oder andere Sachen, das ist aber ein ganz anderes Thema und sicherlich auch nicht durch. Oder dann kann natürlich dann auch eine Software helfen oder auch Stichwort Corona Krise Auf einmal sind weltweit über Jahrzehnte etablierte Lieferketten, die wir quasi sehr, sehr eindimensional auf Kosten und auf Effizienz getrimmt haben. Auf einmal fallen die ganzen Dominosteine und China hat ein Shutdown, der aus Wuhan kommt und andere Lieferketten brechen zusammen. Und dann muss ich natürlich auch sehr schnell im direkten Bereich, aber auch eben im Servicebereich sehen: Wer kann mir denn diese Dienstleistung anbieten? Vielleicht eher regionaler, vielleicht eher diversifizierter, dass ich dann halt eben auch resilienter widerstandsfähiger bin und halt eben da auch agil reagieren kann. Und da kann mich natürlich eine aktuelle Software immer dabei unterstützen, dass ich mein eigenes Know how, meine eigene Erfahrung, meine eigene Excel Liste oder meine eigene Liste, die ich quasi noch sogar in der Schreibtischschublade, vielleicht in früheren Zeiten mal hatte. Die kann ich ja damit kombinieren und sagen Ach sieh mal an, da gibt es noch die und die Lieferanten, die ich auch noch mit ins Portfolio nehmen kann und dann halt eben entsprechend mit in die Ausschreibung, in den Pitch oder wie auch immer mit integrieren kann.
Fabian Heinrich: Sehr spannend zu hören. Also ich glaube, das deckt sich, was man überall so sieht im Moment, dass sie da noch nicht wirklich eine Software da ist, die quasi auf globaler Ebene das Thema indirect und Dienstleistungen so abzurichten, wie es die Platzhirsche im Bereich Procurement machen. Und dass es natürlich auch da viele menschliche Herausforderungen gibt, die man irgendwo inkorporieren muss im Bereich der Zusammenarbeit und vor allem Kollaboration. Und das kann sich in diesem ganzen Spannungsfeld Dienstleister, Fachabteilung, Einkauf dann abspielen. Also definitiv etwas, was man wahrscheinlich nicht heute, nicht morgen löst. Dennoch würde es mich als Zuhörer noch mal sehr interessieren, was denn deine Zukunftsvisionen für den direkten Einkauf. Du bist nicht nur am Puls der Zeit mit deinen Beratungsmandaten und dein Engagement, sondern ich glaube, mit deiner Forschung hast du immer noch einen ganz guten Blick in die Zukunft werfen. Was wären so deine Top 3 Visionen? Wie wird sich der indirekte Einkauf vom Stellenwert her entwickeln? Und man hört ja im Moment sehr viel Self Service Procurement und autonomous Procurement. Wäre mal spannend, da die Meinung eines Forschers zu hören.
Karsten Machholz: Ja, also ich denke, der Einkauf generell der Zukunft, der wird definitiv viel agiler, viel resilienter und viel nachhaltiger. Das gilt sowohl für den direkten als auch für den indirekten Einkauf, weil wir am Ende des Tages nur einen Planeten haben und dann halt eben auch gerade das Thema Nachhaltigkeit CO2-Fußabdruck, Einhaltung von Menschenrechten in der Lieferkette also Stichwort Deutsches Lieferkettengesetz, EU Green Deal extrem wichtig ist. Und auch selbst wenn man sagt: Na ja, wir sind ja nur eine Firma unter 3000 Mitarbeitern. Also spätestens, wenn man irgendwo in eine Lieferkette eines Mercedes Benz, eine von einem Porsche, von Ikea oder von anderen größeren Firmen ist, dann werden letztlich auch die Lieferanten, sei es im direkten oder indirekten Bereich gewählt werden, die dann halt eben auch Transparenz zeigen können, dass man halt eben auch die die Herkunft und die Weiterverarbeitung von Produkten oder auch die Herkunft von Dienstleistungen nachverfolgen kann und auch Audit fähig, für ein Audit Trail. Das kann in Bereichen wie Banken, Versicherungen, das kann im Bereich auch Finance, natürlich Pharma, Biotech, ist es ein ganz wichtiger, wichtiger Punkt im Bereich öffentliche Beschaffung und natürlich auch bei und sei es eine einfache ISO Zertifizierung. Auch da muss ich denn entsprechende Prozesse und Verfahren dokumentieren. Das ist sicherlich ganz, ganz wichtig und elementar. Und natürlich sind wir alle auf dem Weg in die Digitalisierung. Und das heißt also, auch wenn wir Industrie 4.0 oder IoT ein bisschen weiterspinnen. Das hat man schon vor vielen Jahren auch auf Messen gesehen, dass dann halt eben die eine Maschine mit der anderen Maschine kommuniziert und natürlich dann auch direkte Materialien; Ich brauche ein Metallteil, was ich jetzt fräse, drehe, bohre, was auch immer. Oder Achtung, ich brauche eine Wartung, eine Dienstleistung, ein Service. Das wird halt eben auch zunehmend mehr auf Machine to Machine Communication werden. Und alles, was automatisiert werden kann, wird auch automatisiert, weil es einfach viel schneller, effizienter und kostengünstiger ist, so dass ich dann, wie jede Medaille hat das halt eben zwei Seiten. Natürlich wird dann da der Workload im indirekten Einkauf reduziert werden, aber dadurch hat man halt eben viel mehr Zeit, sich auf die wertschöpfenden strategischen Themen zu fokussieren. Und das ist, denke ich, die große Opportunity, die Möglichkeit für den Einkauf, sich dann halt eben auch als strategischer Berater der Geschäftsführung zu positionieren und vorausschauend zu blicken, Klippen und Eisberge, die auf unserem Weg voraus sind, zu identifizieren, Lösungen anzubieten und halt eben auch das Schiff durch die stürmische See zu steuern. Dieser sehr operative Einkauf, der wird sicherlich durch RPA, durch Bots zukünftig immer mehr automatisiert. Und gerade im Bereich Service Einkauf denke ich, ist aber ganz massiv noch eine menschliche Komponente, auch eine emotionale, eine empathische und auch eine rationale Komponente gefragt, wo ich denn viele verschiedene Angebote auch miteinander abwägen kann und die für die Firma oder für die Fachabteilung beste Lösung rausbringen kann. Und die Software, sei es nun künstliche Intelligenz, sei es nun RPA, wird uns da sicher bin ich ganz sicher nicht ersetzen, sondern sie wird uns unterstützen. Also die redundanten stupiden Tätigkeiten von einem Excel Sheet in das nächste SAP System von da ins nächste Excel Sheet oder in die nächste (...) eingeben. Das wird sicherlich entsprechend in der Zukunft auch viel mehr automatisiert werden. Und am Ende des Tages sitzt da vielleicht noch mal ein Einkäufer, der noch mal Sachen, wenn es Unstimmigkeiten gibt, freigibt oder nochmal sagt Nee, ich möchte aber doch lieber die zweite Version und nicht die erste Version oder als Option haben und die freigeben. Also da wird der Faktor Mensch nach wie vor ganz wichtig sein und ich glaube, wir werden einfach in Zukunft viel mehr Zeit haben, uns auch mit den strategisch wichtigen Themen auseinanderzusetzen. Und da kann uns dann eine Software wie die von Mercanis oder von anderen Anbietern im direkten oder indirekten Bereich massiv unterstützen, einfach nicht so viel Zeit mit Suchen und Evaluation zu verbringen, sondern eher in die strategische Entscheidungsfindung zu investieren.
Fabian Heinrich: Ja, ich sehe eine spannende Zukunftsvision. Also wenn ich das noch mal so festhalten darf. Du siehst quasi als Bottom Layer für direkt und indirekt ganz klar Nachhaltigkeit und Compliance als klare Zukunftsvision und dann als der übergeordneten Layer vielleicht noch mehr auf der auf der indirekten Seite: Dann die Themen Digitalisierung, Automatisierung, Stichwörter AI, RPA, Big Data. Dass man dann zu guter Letzt, wenn man das sich Pyramiden mäßig anschaut, dann oben auf der Spitze die Möglichkeit hat, als indirekten Einkauf auf der menschlichen Komponente raus aus der transaktionationalen, endlich mal teilhaben an der Wertschöpfung. Und wenn wir dann salopp sagen, dass sich als indirekter Einkauf einfach auch mal emanzipieren kann und dann tatsächlich dieser dieser Trusted Advisor wirst du ja genannt, was für Dienstleistungen sein kann bei der Fachabteilung. Ja, lieber Karsten Machholz, vielen lieben Dank, das war ein extrem spannendes Gespräch. Also ich denke, unsere Hörer werden es sehr schätzen, da wirkliche Einblicke am Puls der Zeit zu haben. Aber auch. Aber auch für die Zukunft, wie so Visionen aussehen können und daher nochmal tausend Dank. Ansonsten darf ich schon mal die nächste Folge ankündigen. Wir haben weitere spannende Gäste, unter anderem Marcell Vollmer mit einem bewegten Lebenslauf, Chefeinkäufer der SAP, dann COO bei Ariba, der weltweit größten Einkaufssoftware und nun weltweit beratend tätig bei der BCG. Also liebe Zuhörer, dürft euch weiter auf spannende Einkaufs Experten bei uns freuen und dir Karsten Machholz, vielen Dank!
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