Intro: Herzlich willkommen zu Procurement Unplugged, dem Podcast mit Einkaufsexperten für die Einkaufswelt. Schön, dass Sie einschalten.
Fabian Heinrich: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Procurement Unplugged. Heute zu Gast Marcell Vollmer. Er hat einen sehr bewegten Hintergrund und eine Historie im Procurement. Zum einen als Chefeinkäufer des prestigeträchtigsten europäischen Softwarehaus SAP, dann auch als Executive beim deutschen Dekakorn Celonis, als Geschäftsführer bei Ariba. Der wohl bekanntesten globalen Procurement Software und nun schaut er mit der Brille eines Strategieberaters auf das Thema Procurement. Ja Marcell, es freut mich sehr dich heute hier dabei zu haben und stell dich doch gerne unseren Hörern einmal vor, wie du zum Einkauf gekommen bist und wie die verschiedenen Dimensionen während deiner Karriere so auf dich eingewirkt haben.
Dr. Marcell Vollmer: Klasse, Fabian freut mich sehr, hier heute dabei zu sein und herzlich willkommen auch von meiner Seite. Ja, wie kam ich einen Einkauf? Ich meine nach 15 Jahren DHL, bin ich dann zu SAP gewechselt, war da insgesamt 14 Jahre, habe erst angefangen das Thema Shared Services voranzutreiben, die Backoffice Funktionen zu zentralisieren. Mein Haupt Prozess, wo ich inhaltlich auch am tiefsten eingestiegen bin, war Procure 2 Pay, schon damals als inhaltlicher Schwerpunkt, habe dann allerdings auch mehr strategische Projekte übernommen. Im Grunde so eine Art Inhouse Consulting für die SAP aufgebaut. Für die Transformation der eigenen Geschäftsbereiche im Back Office. Gehörten auch unter anderem zum Beispiel Integrationen dazu, Post Merger Integration, Business Objects und habe dann noch bei einigen strategischen Initiativen geholfen, bevor ich dann ein Angebot bekam, was ich nicht ablehnen konnte von meinem damaligen Chef, dem Group CFO der SAP. Und er hatte mich gefragt und gesagt: Hey, wir haben jetzt so viel bei der Restrukturierung gemacht für die Optimierung unseres internen Bereichs. Wir haben allerdings noch nicht so viel gemacht für den externen Spend, den SAP hat und das war natürlich eine sehr spannende Herausforderung. Und so bin ich 2011, ziemlich genau zehn Jahre ist es her. Anfang 2011 bin ich als Chief Procurement Officer angetreten, um den Einkauf neu auszurichten, den End-to-End Prozess neu zu definieren, die Organisation entsprechend dazu aufzusetzen. Da gehörte auch das Thema Shared Services, Buying Center damals mit dazu. Und dann natürlich das ganze Thema, auch System Auswahl. Die Systemauswahl. Jetzt wird der eine oder andere sagen, wenn er bei SAP war, was will er anders als SAP nehmen? War damals noch ein bisschen anders. Ich hatte großes Glück, dass ich damals eben auch Teil des Teams war, die dann entsprechend Ariba FieldGlass Concur, die Marktführer in der Cloud damals, mit als von der Akquisition und vor allen Dingen dann von der Integration betreut habe. Das heißt, wir haben auch diese Lösungen nicht nur im Unternehmen gekauft als SAP, sondern diese Lösung auch bei SAP eingeführt. Das machte die Zeit im Einkauf auch für mich sehr, sehr spannend. Also ich habe eine ziemlich atypische Karriere gemacht, bin eher ein Seiteneinsteiger gewesen, muss sagen, habe dann aber den Spaß und die Freude am Einkauf wirklich am eigenen Leibe erleben dürfen, bis hin eben von der Restrukturierung zur Akquisition, was sehr, sehr spannend war und habe das Ganze dann noch weiterführen dürfen, als COO, um Ariba und Fieldglass stärker zu integrieren und dann als Chief Digital Officer und aus den USA heraus. Ich habe in Atlanta, Georgia dann auch lange Zeit gelebt, entsprechend die Kunden zu unterstützen. Wie können Sie Ihre digitale Transformation im Einkauf machen, um den Einkauf fit für die Zukunft zu machen? Ja, Celonis hast du schon erwähnt, ein Dekakorn, super spannende Zeit als Chief Innovation Officer. Und jetzt seit August letzten Jahres bin ich hier bei BCG Boston Consulting Group wirklich eine klasse Möglichkeit für mich, sowohl die Einkaufs Erfahrung, aber auch die Erfahrungen aus den unterschiedlichen Zeiten und Karrierestufen hier mit einzubringen und Kunden dabei zu unterstützen, erfolgreich digitale Transformation, den Einkauf in die Zukunft zu führen. Aber natürlich auch die Integration mit der Supply Chain und immer wieder das Thema auch richtige System Auswahl hier die Entscheidungen vorzubereiten und zu treffen. Eine super spannende Zeit und freue mich hier heute dabei zu sein.
Fabian Heinrich: Ja, sehr spannend und vor allem die verschiedenen Dimensionen, die du erlebt hast. Ich meine, für mich wäre mal spannend zu hören, wie hat sich der Einkauf generell über die letzten 20 Jahre verändert?
Dr. Marcell Vollmer: Also der Einkauf ist durch eine sehr interessante Reise gegangen. Damals, also Einkauf ist ja eigentlich schon sehr sehr alt. Also wenn du es ganz weit zurück nimmst, war ja schon die erste Einkaufs Tätigkeit in der Antike mit Marktplätzen zurück auch Seidenstraße jetzt ja auch wieder gerade im Thema was neu aufgebaut wird. Also Einkauf als Aktivität ist schon sehr sehr alt. Einkauf als Unternehmens Funktion ist noch nicht so alt. Das ist so in den 50er 60er Jahren professionalisiert worden. Überwiegend dann erstmal den transnationalen Einkauf zu optimieren. Aber dann hat man sehr schnell erkannt, so 70er, 80er und 90er Jahre. Der Einkauf kann viel mehr. Das sind nicht nur die operative Bestellabwicklung, also das, was jemand benötigt, im Unternehmen, kostenoptimal einzukaufen, um sicherzustellen, dass es in der gewünschten Qualität auch zeitlich rechtzeitig eintrifft, sondern dass viel, viel mehr dahinter steckt, nämlich dass man eben strategisch auch wirklich unterstützen kann, im Einkauf den Wertbeitrag des Unternehmens zu erhöhen. Und das sieht man heute sehr, sehr stark, dass der Einkauf nicht nur eben über erst operative Exzellenz wirklich zum strategischen Berater. Heute würde ich sagen ein Digital enableter Business Partner geworden ist, der sich auf die Wertbeitrag und die Steigerung des Beitrags für Unternehmen fokussiert. Da gehören Themen dazu, wie Lieferanten Innovationen voranzutreiben. Also egal welche Produkte man ansieht, überall sieht man, dass Innovationen ein großer Teil sind. Automobilindustrie mit dem Elektroantrieb, das Smartphone mit dem Gorilla Glass von Apple, Geschäftsmodelle, die neu entstanden sind, wie zum Beispiel die Nespresso Kaffeekapseln, die mit den Lieferanten zusammen entwickelt worden sind. Das sind so Themen, wo der Einkauf eine ganz zentrale Rolle spielt. Aber dann auch, wir haben es jetzt gesehen in der Krise, in der Pandemie durch Covid.19. Wie wichtig es auch ist, das Risikomanagement und eine Resilienz in der Supply Chain zu erreichen. Und da trägt der Einkauf auch dazu bei, aber auch Themen wie Nachhaltigkeit sicherzustellen, dass unsere Produkte entsprechend nachhaltig sind. Das sind jetzt aktuell die Themen, die den Einkauf sehr, sehr stark beschäftigen. Und natürlich nicht zu vergessen, wie könnte ich das auch jemals tun, das Thema Einkaufs Einsparungen, Procurement Savings sicherzustellen. Das ist natürlich auch immer noch eine zentrale Aufgabe des Einkaufes für Waren, aber auch für Dienstleistungen.
Fabian Heinrich: Ja, ich meine du sprichst es an, Dienstleistungen, ich meine historisch. Du bist jetzt zurückgegangen bis zur Antike oder in das Forum Romanums oder Angoras in Griechenland. Also ich glaube mit dem Handel von Materialien und Produkten sind wir alle sehr vertraut. Da kennen wir uns gut aus. Das ist sehr automatisiert, digitalisiert, inzwischen. Jetzt hat sich aber unsere Welt ja sehr gewandelt, in den letzten zwei Jahrzehnten, also zwei Drittel des europäischen GDPs sind inzwischen Dienstleistungen. Wir als westliche Gesellschaft sind lediglich noch die Orchestratoren in der Wertschöpfungskette. Wie ist der Einkauf aufgestellt im Bereich Dienstleistungen? Und siehst du, dass sich da in den letzten 10 15 Jahren ein Wandel ergeben hat? Und was sind denn die anderen Herausforderungen bei den Dienstleistungen?
Dr. Marcell Vollmer: Fabian, Wandel ist ein gutes Stichwort. Und ich sehe ganz klar den Trend, dass es stärker von den Produkten zu Dienstleistungen geht. Und du hast ja schon den Anteil am GDP, am Bruttoinlandsprodukt dargestellt, der zusehend steigt gerade in den weiter entwickelten Volkswirtschaften, wo es immer mehr um Services geht, sieht man in den USA, mit den Tech-Unternehmen. In Deutschland gibt es weniger Tech-Unternehmen, aber zum Glück auch einige Startups, die sehr erfolgreich sind und hier wirklich auch in den sehr stark wachsenden Markt anfangen, eine immer stärkere Rolle zu spielen. Nicht nur SAP, sondern viele Unternehmen, die da jetzt in den Bereich gehen. Insgesamt sind Dienstleistungen von daher wichtig, da die Unternehmen ja überlegen, wie können sie ihre globale Lieferkette optimieren. Und ein Thema ist natürlich zu überlegen: Okay, mache ich die Produkte und alles selbst oder kaufe ich intelligent eben entsprechende Services, Dienstleistungen dazu. Und das ist genau das Thema, was man im Markt beobachten kann, das ein Trend ist. Englisch würde man sagen von Goods to Service, immer stärker auf Dienstleistungen zu setzen. Beispiele sind man betreibt heutzutage Reinigungsdienst für die Firma nicht mehr selbst. Also jetzt ganz einfach angefangen von den Basisdienstleistungen, von denen wir sprechen, die Kantinen Services, aber dann auch komplexere Services, wie zum Beispiel im Data Center, jetzt, wo sehr, sehr viel in Cloud investiert wird. Die Maintenance, also die regelmäßige Wartung dieser Center, wird auch oft durch Dienstleister übernommen. Aber es geht immer weiter, auch bis hin zur Auftragsfertigung im Automobilbereich ist durchaus üblich, das ganze Produktreihen von Service Anbietern angeboten werden. Magna wäre so ein Beispiel, die mit vielen zusammenarbeiten. Und das ist ganz klar ein Trend, den man sieht. Das heißt weg von den einfachen Dienstleistungen hin zu komplexeren Dienstleistungen, die Unternehmen abdecken und auch abdecken müssen, um erfolgreich zu sein.
Fabian Heinrich: Das beobachtet man natürlich in allen Branchen und Industrien und sehr, sehr spannend dargelegt, dass das Ganze sogar einen Impact hat, egal ob blue collar oder white collar. Ich glaube, das ist etwas, was man vielleicht hier und da vergisst. Jetzt sind natürlich alle Hörer, die Einkaufs Experten unter Umständen. Deswegen vielleicht auch mal spannend zu hören von dir als absoluten Experten. Wo liegt denn grundsätzlich der Unterschied im Einkauf von Produkten, Materialien, also von physischen Gütern oder von Dienstleistungen? Also wo siehst du da die Hauptunterschiede?
Dr. Marcell Vollmer: Waren ist relativ einfach. Das sind die Sachen, die man anfassen kann, die man einkauft. Der größte Bereich natürlich direkte Materialien und auch der größte Teil immer noch in der globalen Supply Chain, die jetzt so bei ungefähr einem Volumen von 18 Billionen in US-Dollar gemessen. Das meiste sind natürlich Waren dort, also direkte Materialien im Einkauf. Indirekte Materialien, spielen natürlich auch eine große Rolle. Das sind so die Materialien, die man benötigt, um das Unternehmen zu betreiben von IT Services, Marketing, IT Produkten, keine Services an der Stelle, bis hin zu auch Geschäftsräumen, die man zur Verfügung stellt. Aber auch natürlich das übliche Beispiel, eben die Büromaterialien, die man benötigt. Mittlerweile machen viele ja Homeoffice, sind die Büromaterial dann doch etwas andere, die man benötigt und dann kommt eben ein Bereich dazu und das sind die Dienstleistungen. Das ist der Bereich, der momentan eben sehr stark wächst und wo man auch sieht, eben, dass Unternehmen aktiv überlegen, wie können sie in intelligenter Weise eben Services entsprechend auch strukturieren und auch an vertrauenswürdige Lieferanten geben. Der große Unterschied ist dabei für die klassischen Materialien, egal ob direkte oder indirekte Materialien, da hat man auch ganz gute Software Systeme, mit denen man dann den Einkauf, ob im Chemie Bereich, ob man jetzt entsprechend Rohstoffe einkauft, Automobilbereich vom Stahl bis hin zu Fertigteilen, die man verwendet, könnte man jetzt sehr viele Beispiele aufzählen. Da sind Lösungen da und da gibt es schon sehr lange Einkaufs Lösungen, die die Unternehmen haben. Wobei sehr lange, in den 90er-Jahren kam das ganze Thema im procurement hoch, also 30 Jahre würde ich jetzt sagen, etwas über 30 Jahre, von der zeitlichen Einschätzung. Im Services Bereich war es meistens so, da gab es so einige Services, gerade im Bereich, wo man früher Services gesprochen hat, im Einkauf. Dann ging es immer nur um Zeitarbeitnehmer. Temp Labor. Das heißt, die Mitarbeiter, die man braucht, um mal Urlaubsvertretung zu machen oder um ein Projekt abzuwickeln oder auch eine spezielle Aufgabe, die halt erledigt werden muss, für die man Mitarbeiter für eine gewisse Zeit benötigt. Das wandelt sich momentan ganz, ganz stark, dass eben dadurch, dass die Dienstleistungen immer komplexer werden, braucht man natürlich auch Lösungen. Wie kann man jetzt diese komplexeren Dienstleistungsanforderungen und Aufträge, somit auch der verbundenen Komplexität, die damit zusammenhängt? Es gibt zum Beispiel Gesetze dazu. Sozialgesetzbuch, Scheinselbstständigkeit ist ein Stichwort, was früher immer wieder, aber auch heute noch relevant ist. Mindestlohn ist gerade wieder in der politischen Diskussion vor der Bundestagswahl. Das sind natürlich Themen, die relevant sind. Dafür braucht man Lösungen, um das einzuhalten und auch sicherzustellen, dass man die richtigen Qualifikationen für die Bereiche hat, die die Mitarbeiter benötigen, um dort überhaupt arbeiten zu dürfen. Schulungen zum Beispiel. Nicht jeder darf Gabelstapler fahren, aber auch nicht jeder darf entsprechend im Unternehmen gewisse Tätigkeiten durchführen, wenn es zum Beispiel die Wartung von Geräten geht. Viele Geräte sind auch zertifiziert. Da muss man sicherstellen, dass man die richtigen Schulungen hat. Das ist natürlich deutlich komplexer als jetzt Rohmaterialien oder auch selbst komplexe Produkte wie ein Computer oder ein Server einzukaufen oder auch eine sehr große Maschine ist am Ende im Grunde nur ein Line Item, wo man sagt: Okay, wann kriege ich das? Was kann das? Wie viel kostet es? Was sind die Anforderungen? Ist bei der Dienstleistung natürlich deutlich schwieriger, weil ich habe viel mehr Rahmenbedingungen, die ich berücksichtigen muss. Und dann kommt noch dazu: Die Dienstleistung, wir sprechen jetzt über Services, Dienstleistung, so als ob das auch so ein Produkt zum Anfassen wäre, wie zum Beispiel ein Smartphone oder irgend so ein Produkt. Ist es natürlich nicht. Es ist ja eben etwas, was individuell von Menschen oder einem Menschen entsprechend erbracht wird, das heißt, da muss natürlich auch sicherstellen, passt derjenige natürlich auch neben den technischen und ausbildungsnotwendigen Anforderungen, die er erfüllen muss. Passt der aber auch dann für die Aufgabe? Ist das jemand auch vom Qualifikationsprofil, den ich mir vorstelle. Wenn ich einen SAP Berater zum Beispiel suche für eine große IT ERP Implementierung, möchte ich sicherstellen, dass der nicht nur SAP versteht als Softwarelösung, dass er auch weiß, wie setzt man solche Projekte auf, das auch schon mal gemacht hat und idealerweise hat er das sogar mal in der Industrie gemacht. Das heißt, er spricht meine Sprache und weiß, was wichtig ist. Das heißt, man sieht an diesen Beispielen schon, dass es viel schwieriger ist, auch hier entsprechend den richtigen Menschen zu finden. Da sind wir auf einer sehr persönlichen Ebene. Das heißt, das ist kein Material, nicht einfach irgendwie ein Produktionseinsatzfaktor, über den man jetzt mal technisch sprechen würde, sondern das ist ein Mensch, der mit Empathie, mit der entsprechenden Ausbildung, der motiviert ist, den man einsetzt. Und da muss man natürlich auch sicherstellen, dass man das so definiert und auch so intelligent im Unternehmen einsetzen kann. Das heißt nicht nur ich als Unternehmen entscheide, was ich brauche, sondern man muss auch die Bedingungen geschaffen haben, dass jemand dann erfolgreich in dem gegebenen Umfeld unter den Rahmenbedingungen sein kann. Das ist heutzutage eine große Herausforderung, dass man das eben von den einfachen Services, die ich beschrieben habe, hin zu jetzt komplexeren dann gerade auch richtig einkaufen kann.
Fabian Heinrich: Nein, das macht vollkommen Sinn und ich glaube, egal in welcher Kategorie, egal ob jetzt Marketing, IT, (...) oder MRO Services ist. Ich glaube, der Mensch spielt immer eine wichtige Rolle und ich glaube, wenn man das dann abstrahiert auf eine rationale Ebene, dann was du eben dargestellt hat ist ja schlussendlich auch wie matcht dann mein Leistungs Verzeichnis mit den Qualifikationen des Leistungserbringers. Das stelle ich mir ein bisschen schwieriger vor, weil ich mein, wenn ich jetzt vom direkten Einkauf her denke, da habe ich ja auch meine Erfahrung mit (...). Da hat man natürlich bestehende Taxonomien. Also ich kann natürlich sagen, der (...) oder der UNSPSC Code und da ist das entsprechend strukturiert. Wie läuft denn das bei Dienstleistungen ab und gibt es da auch Taxonomien oder wie funktioniert da das Matching?
Dr. Marcell Vollmer: Du hast es schon gut angesprochen mit Leistungsverzeichnis, Leistungserbringung. So technisch wollte ich gar nicht in die Details reingehen. Aber absolut, das sind die Voraussetzungen, das sind die Rahmenbedingungen, die da sind. Nur wenn man sich jetzt überlegt und ich nehme vielleicht noch mal das Software Beispiel, wenn ich eine Software implementiere, schreibe ich rein, dass halt eine gewisse Erfahrung da ist. Also ein Teil des Leistungsverzeichnisses. Jetzt natürlich die Frage wie erbringe ich eigentlich dann diese Leistung und vor allen Dingen wie kann ich das dann messen? Und der nächste Schritt wie kann ich das Ganze auch dann noch bewerten? Also (...) auch eine hochspannende Softwarelösung, verbunden mit einer Dienstleistung, am Markt wirklich Transparenz zu schaffen über Einkaufs Produkte, die vorher in der Form nicht so ohne weiteres transparent sind, für den Einkäufer, der das eben nicht regelmäßig macht, wo man auch wirklich Research machen muss. Das kann man natürlich bei der Dienstleistung etwas schwieriger fassen, weil man auch in Projekten wie zum Beispiel auch Software Implementierung nicht unbedingt genau beschreiben kann: Was muss eigentlich jetzt alles bis dahin gemacht werden? Und das heißt es gibt also immer eine gewisse Flexibilitäts Komponente dann auch, bis hin dann auch dazu: Wie erbringt man persönlich den Service? Jeder war mal in der Kantine, hat sich über den netten, freundlichen Service gefreut. Ein anderes Mal war vielleicht der Service nicht so freundlich. Vielleicht war man auch selbst nicht so freundlich. Gar nicht den Mitarbeitern die Schuld dafür geben, wie man in den Wald hineinruft, so kommt aber manchmal dann eben zurück. Aber die Service Beschreibung ist vermutlich genau die gleiche. Und daran sieht man auch, wir sind halt Menschen und haben es hier mit Menschen zu tun, wo es halt eben auch wichtig ist, dass man eben Empathie oder auch die weichen Faktoren entsprechend berücksichtigt, also auch sicherstellt, dass der entsprechende Fit dann da ist, je nach Serviceleistung, die erbracht wird. Und das kann man mitunter nicht in so einem Leistungsverzeichnis beschreiben. Dementsprechend ist es natürlich auch wiederum schwer: Wie kann ich das Ganze hier zum Beispiel mit einer Software-Lösungen dann auch strukturieren, transparent machen, automatisieren? Das sind natürlich große Herausforderungen, die dann in dem Bereich wiederum da sind, wenn man es dann einkaufen will und dann vor allen Dingen auch sehr strukturiert über einen Sourcing Prozess mit Lieferanten Auswahl, E-Sourcing machen, Wertung natürlich. Bis hin dann zur erfolgreichen Ausschreibung, die im Vertrag dann endet, aber dann natürlich auch die Bestellung entsprechend aus dem System raus schickt, dass der Lieferant auch schriftlich den Auftrag bestätigt bekommt und dann entsprechend die Lieferung erbringen kann. Dann kommt das ganze Thema noch dazu mit der Zeiterfassung, die notwendig ist, oder wenn es kein Vertrag ist, der auf Zeit geht, sondern auf die Erbringung einer Dienstleistung. Da wird sozusagen die Dienstleistung produktisiert, dass man entsprechend sagt: Also mich interessiert gar nicht so genau, ob du jetzt von 8 bis 16 Uhr arbeitest oder ob du zu anderen Zeiten arbeitest. Wichtig ist für mich am Ende, dass das, was wir entsprechend vereinbaren, dann am Ende auch erbracht worden ist. Und das sind natürlich andere Anforderungen, die man da hat und auch eine ganz andere Komplexität, die man eben nicht mehr so ohne weiteres mit Nummern, UNSPSC oder anderen am Markt vorhandenen Artikel Nummern beschreiben kann.
Fabian Heinrich: Ja, ich sehe schon, das Ganze ordnet sich ja dem Thema unter, wenig Visibilität, geringe Transparenz und dadurch auch schwierig zu vergleichen. Und was ich jetzt so herausgehört habe aufgrund von fehlenden Taxonomien im Dienstleistungsbereich kann man es eben nicht so einclustern und im Sourcing Prozess fehlt es ein bisschen dem Status Quo, die Flexibilität, die Agilität und auch die Bewertung des Faktor Menschen durch Soft Faktoren, wenn ich das so mitnehmen kann oder richtig rausgehört habe. Wenn man sich diese Herausforderungen anschaut, was wären denn deiner Meinung nach da Lösungsansätze, wie man selber diese Herausforderungen bei den Dienstleistungen, die ja immer wichtiger werden, die immer einen höheren Wertschöpfungsgrad im Unternehmen annehmen, wie man das jetzt die nächsten Jahre bewerkstelligen könnte? Sind das eher Themen, wo man sagt, da bräuchte man eine neue Software, die auf die Themen eingeht. Sind das auch Themen, wo man sagt, dann müsste man vielleicht die Fachabteilung irgendwie mit ins Boot holen, da so ein bisschen Spannungsdreieck, Dienstleister, Fachabteilungen, Einkäufer so bisschen löst und darauf irgendwie bessere Agilität und Flexibilität im Prozess bekommt? Oder sind das Themen, die mit dem zukünftigen Skills des Einkäufers zu tun haben?
Dr. Marcell Vollmer: Ich glaube, die wichtigsten Punkte, Fabian, hast du absolut angesprochen. Die Frage wird sein: Wie kriege ich es in die richtige Reihenfolge und wie komme ich dann auch dazu, dass ich eine entsprechende Lösungen habe, die ich dann auch nutzen kann? Es ist sehr wichtig, dass man genau definiert und mit dem Fachbereich zum Beispiel bespricht: Was braucht man eigentlich als Dienstleistungen und was sind die Services, die ich hier nachfrage? Und ist auch das, was der Fachbereich sich vorstellt, wirklich das, was am Markt vorhanden ist oder was auch dann üblich ist für die Erbringung der Dienstleistung? Das Wichtige ist, dass man aus der Einkaufssicht natürlich auch ein etwas anderes Skill Profil braucht. Man muss natürlich genau die richtigen Fragen stellen für so eine Software Implementierung. Wie viel Architekten brauche ich denn? Wie viele Consulting Mitarbeiter mit dem Skillset Programmiersprache sind denn da notwendig? Wie viel brauche ich dann im Projektmanagement? Und das sind natürlich Themen, wo auch der Einkäufer gefordert ist, sich weiterzuentwickeln und eben nicht nur, jetzt sehr stark auf dem IT-Bereich. Es ist auch natürlich mit über 15 Jahren ein Stück weit mein persönlicher Background. Aber es geht ja noch viel weiter. Es ist ja Marketingbereich genau vergleichbar mit Dienstleistungen, auch im Produktionsbereich, wo man sieht, wenn man gerade ein großes Produktionswerk sich ansieht, ich bin regelmäßig auch bei Kunden vor Ort, selbst in der Krise noch, dann sieht man durchaus eben, da sind auch viele Dienstleister, die dieses Produktionsunternehmen entsprechend unterstützen. Das heißt, man braucht dann auch das richtige Verständnis dafür. Wie wähle ich eigentlich die Dienstleister aus, was ist wichtig? Und dann natürlich mit den technischen Möglichkeiten. Wie kann ich die zur Verfügung stehenden Systeme intelligent nutzen? Kann ich zum Beispiel maschinelles lernen oder kann ich künstliche Intelligenz nutzen, um mich zu unterstützen bei dem bei dem Auswahlprozess? Und gibt es eventuell Lösungen, die ich nutzen kann, weil die klassischen Lösungen für den Einkauf, vieles ist indirekte Materialien. Es gibt auch sehr viel für direkte Materialien. Es gibt auch durchaus ein ganzes Set an Lösungen in dem Bereich, eben temporäre Mitarbeiter, Zeitarbeitnehmer mit sehr integrierten Auswahlkriterien. Aber wenn es jetzt um komplexere Dienstleistungen geht, also wie kann ich zum Beispiel mit der Maintenance für ein Data Center? Wie kann ich zum Beispiel auch mein Bürogebäude neu gestalten, dass die Mitarbeiter dort gerne arbeiten wollen? Wie kann ich zum Beispiel meine Produktion optimieren? Da gibt es viele, viele Dienstleistungen, die nicht so einfach und so klar zu beschreiben sind. Und deshalb braucht man natürlich neben dem Verständnis der Abteilung im Fachbereich auch die technische Lösung dazu, um eben die Daten dann zu erhalten, wie ich das Ganze dann aufsetze und optimieren kann und idealerweise dann auch eine Procurement Lösung, die komplexe Service Anforderungen sehr gut abbilden kann. Und da gibt es heutzutage noch einen großen Bedarf im Markt.
Fabian Heinrich: Ja, ich sehe schon, ein vielschichtiger Lösungsansatz, war wahrscheinlich zu subsumieren unter dem Stichwort Digitale Transformation. Man muss den Menschen abholen, den Mitarbeiter abholen, da doch auch für die Kollaboration zwischen Fachabteilung und Einkommensabteilung herstellen. Und wie wir eben gehört haben, es gibt leider noch keine wirkliche Lösung, die das Thema Dienstleistungen im größeren Sinne, wenn wir jetzt mal das Thema Zeitarbeitsbranche ausklammert, löst. Und dann muss man sich natürlich, wie du sagst, umschauen, gibt es da etwas, was auch State of the Art ist? Stichwort RPA, AI, Big Data und so weiter, wo man wirklich auch automatisieren kann, wie du eben erwähnt hast. Also spannender Lösungsansatz. Ja, meine letzte Frage wäre jetzt die, die Zeit fliegt immer mit dir Marcell. Die letzte Frage wäre jetzt ich meine die BCG, ihr macht auch super viel Research. Du siehst sehr viel. Wo geht deine Vision im Einkauf hin? Was ist deine Zukunftsvision? Man liest immer mehr von autonomous procurements, Self Service, indirekter Einkauf und man liest auch immer mehr von der Transformation vom transaktionellen zum strategischen Einkauf auch im indirekten Procurement. Also das würde mal alle Zuhörer auch interessieren, wo ist deine Zukunftsvision für den Einkauf?
Dr. Marcell Vollmer: Ja Fabian, das war super. Du hast die entscheidenden Begriffe auch schon erwähnt. Ich erspare es jetzt den Zuhörern jetzt noch mal mit jeder Menge Buzzwords, wie es ja so schön heißt, eingedeutscht, das Ganze noch weiter zu vervollständigen, sondern vielleicht mal ganz einfach ausgedrückt: Der Einkauf steht vor einer großen Herausforderung durch die Transformation und die Digitalisierung aktuell. Warum? Operativ taktische Aufgaben werden heute schon von Maschinen übernommen und werden zusehends automatisiert werden. Das ist ein Trend, den man sieht. Also warum müssen Mitarbeiter noch Bestellnummer eingeben und dann eine Bestellung raussuchen, um dann eine Rechnung von einem Lieferanten entsprechend zu prüfen und dann, wenn sie okay sind und die Ware eingegangen ist, Qualität stimmt am Ende auch, dann bezahlen zu lassen. Das können Maschinen viel besser machen, hoch automatisiert. Das heißt, viele dieser Mitarbeiter, die heute noch operativ taktische Aufgaben übernehmen, werden dann diese Aufgaben nicht mehr durchführen müssen. Das heißt, die Mitarbeiter im Service Center zum Beispiel vor zwei Bildschirmen setzen. Links gucken sie eine Rechnung an und suchen sie im System die Daten dazu. Das wird bald der Vergangenheit angehören. Es dauert noch, bis das Papier wirklich ganz verschwunden ist. Aber der Einkauf und die Rolle wird sich dahingehend ändern, dass zusehends der Wertbeitrag, strategischer Aufgaben wie Lieferanten Innovationen, wie Resilience in der Lieferkette, wie zum Beispiel auch das ganze Thema Risikomanagement oder Nachhaltigkeits Management, das wird eine zunehmende Rolle spielen. Es werden neue Aufgaben im Einkauf entstehen, wie zum Beispiel Programmierer von maschineller Intelligenz. Bionic Procurement als Stichwort, um doch nur ein Buzzwort zu verwenden. Also dieses, was als autonomomous Procurement bezeichnet, ist ja im Grunde die Durchführung von heute noch nicht automatisierten Aufgaben, dann vollautomatisiert durch Maschinen. Und das Ganze klingt sehr einfach und immer sehr, sehr klar. Allerdings es müssen ja immer noch Menschen zusammenarbeiten, mit diesen Maschinen. Also irgendeiner muss ja im System immer noch sagen: Ich möchte jetzt ein neues Smartphone haben oder ein neuer Mitarbeiter fängt an, ich brauche einen Laptop mit Kamera, ich brauche einen Monitor, dazu eine Maus und so weiter. Und das sind natürlich Sachen, wo die Zusammenarbeit sehr, sehr wichtig ist. Deshalb glaube ich, dass der Einkauf neben der strategischen Ausrichtung auf dem Wertbeitrag fokussiert, natürlich weiter auch Einkaufs Einsparungen zu realisieren, die sogenannten Procurement Savings wird eine ganz große Rolle spielen. Wie arbeiten die Mitarbeiter mit diesen Maschinen und der dann mehr oder weniger intelligenten Lösung, die es dann gibt, zusammen und das wird eine große Veränderung sein, wie sich der Einkauf wandeln wird. Also in Zukunft wird die Einkaufs Organisation wahrscheinlich kleiner sein, von der Anzahl der Mitarbeiter, aber die Aufgaben und der Wertbeitrag, den der Einkauf realisiert, der wird wachsen. Und dafür ist es natürlich notwendig auch das Orchestrieren zwischen Mensch und Maschine, das Thema Bionik, aber auch dann diesen Wertbeitrag über das Business Partnering, sprich die Kollaboration mit den Lieferanten und den Geschäftsbereichen zu managen. Und das wird die große Aufgabe des Einkaufs sein, die er hat und ist eine sehr, sehr spannende Veränderung. Und sicherlich wird die Rolle des Einkaufs und die Bedeutung eher noch wachsen als abnehmen, auch wenn Aufgaben wegfallen, die dann durch Maschinen übernommen werden, weil dadurch Kapazitäten frei werden, die entsprechend für den Wertbeitrag auch dringend benötigt werden. Das bedeutet auch, dass die Mitarbeiter natürlich zum Teil weiterentwickelt werden müssen und zum Teil man auch sehen muss, wie kann man die Aufgaben intelligent lösen, dass man entsprechend sicherstellt, man bekommt auch die richtigen Mitarbeiter am Markt, was ja im Einkauf auch nicht so ohne weiteres einfach ist, weil oftmals hat der Einkauf nicht die gleiche Reputation wie andere Geschäftsbereiche im Unternehmen.
Fabian Heinrich: Ja gut, das klingt nach viel Wandel in den nächsten Jahren und wahrscheinlich auch nach vielen neuen Business Möglichkeiten für euch als Berater. Das heißt ja schlussendlich was du dargelegt hast, BPOs und Shared Service-Center werden disrupted, über kurz oder lang. Das heißt aber auch die Rolle des Einkäufers wird mehr vom transktionalen zum strategischen und du sagst quasi Kollaboration mit Maschine, sei es mit der Fachabteilung. Also um jetzt nicht noch mehr Buzzwörter in den Raum zu werfen, aber das klingt ja dann so, als würde der Einkäufer in der Zukunft zum Value Driving Orchestra in diesem ganzen Spannungsfeld.
Dr. Marcell Vollmer: Absolut Fabian, perfekt zusammengefasst. Und genau das ist das, was wir in der Beratung bei BCG sehen, was die Unternehmen aktuell wissen wollen. Wie komme ich dahin? Wie kann ich die Transformation durchführen? Wie kann ich das Unternehmen weiter digitalisieren? Wie kann ich die Verzahnung auch weiter voran führen? Was sind die spannenden Aufgaben und jeder, der zuhört, ich hoffe, dass die Begeisterung für den Einkauf, wenn sie noch nicht geweckt ist, geweckt wird, denn die Aufgaben werden zunehmend spannender und vor allen Dingen auch man sieht, wie groß der Wertbeitrag dann ist, in dem der Einkauf auch zum Erfolg der Unternehmen sicherstellt. Allein wenn man überlegt, man kommt beim neuen Geschäftsmodell, wo man zu beiträgt, wie die Espresso kapseln, als eine Möglichkeit. Das ist natürlich schon eine große Leistung, dann die, die erbracht worden ist und wo es sicherlich noch ganz viele Beispiele gibt. In allen Industrien, können jetzt nicht alle erwähnen die, die hier die Aufgabe im Einkauf unglaublich spannend macht. Deshalb hoffe ich, dass viele sich für diese spannende Aufgaben auch in der Zukunft begeistern.
Fabian Heinrich: Ja, sehr vielen Dank, dass du hier warst, hat mich sehr gefreut. Tausend Dank und war wie immer ein tolles Gespräch für unsere Zuhörer. Es wird demnächst wieder eine Folge Procurement Unplugged geben, demnächst weitere spannende Gäste, unter anderem James Meads, der seit zehn Jahren Procurement Adviser ist, vor allem im indirekten Bereich sich auch vor allem mit Shared Service Centers und BPOs auskennt. Wir haben heute Diskussionen angeschnitten, werden in der nächsten Folge vertiefen mit ihm. Also in diesem Sinne vielen Dank. Wir freuen uns auf die nächste Folge.
Dr. Marcell Vollmer: Vielen Dank für die Einladung Fabian und vielen Dank an die Zuhörer für das Interesse. Danke.
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